Was genau eine Psychotherapie ist, das ist gar nicht so leicht zu definieren. Wortwörtlich ist Psychotherapie die „Heilbehandlung der Seele“. Dann müssten wir jetzt also nur noch klären, was genau eine Seele ist – und eine Heilbehandlung. Wer es ganz hart fachlich haben will, kann natürlich einfach googeln. Doch da stehen dann vor allem Definitionen, die für Wissenschaftler oder für angehende Psychotherapeuten gedacht sind.

Ich fasse diese wissenschaftlichen Definitionen mal zusammen:

  • Psychotherapie ist die Behandlung von psychischen Störungen und psychischem Leid mittels verschiedener Kommunikationstechniken und einer emotionalen Bindung zwischen der behandelnden und der behandelten Person.
  • Leiden kann man sowohl am eigenen Denken, Fühlen, als auch Handeln. Unser Denken, unser Fühlen und unser Handeln sind allesamt Ausdrücke unserer Psyche – aus allen drei setzt sich letztendlich unsere Persönlichkeit zusammen.
  • Alle drei Bereiche hängen aber auch davon ab, wie es uns gerade geht. Wie zufrieden wir mit unseren Lebensumständen sind, wieviel Stress wir haben und wie gut wir damit umgehen können.
  • Psychotherapie basiert auf Freiwilligkeit, ist ein transparenter und bewusster Prozess.

Geht das auch einfacher?

Jemand, der eine Psychotherapie in Anspruch nehmen möchte oder jemanden kennt, der das tut, kann es meiner Meinung nach etwas pragmatischer brauchen. Also versuche ich es jetzt einmal etwas freier:

Psychotherapie ist, salopp gesprochen, eine Art „Freundschaft minus“. Wenn es in der „Freundschaft plus“ um mehr als nur Freundschaft geht, dann geht es in der Psychotherapie um eine eingeschränkte Art von Freundschaft. Die Einschränkung ist, dass nur einer der Beteiligten Raum bekommt – nämlich derjenige, der auf der Klientenseite sitzt. Die Therapeutin oder der Therapeut widmet ihm oder ihr die gesamte Aufmerksamkeit, das Fachwissen und die Lebensweisheit, die ihm oder ihr zur Verfügung steht.

Das bedeutet, dass jede Psychotherapie sich von einer anderen Psychotherapie so sehr unterscheidet, wie diese beiden Menschen sich von allen anderen Menschen unterscheiden. Natürlich gibt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der unter Anderem dadurch bestimmt ist, dass Psychotherapie sich an fachliche und wissenschaftliche Standards halten muss.

Eine besondere Art von Beziehung

Eine Psychotherapie ist also in erster Linie eine Beziehung, die man eingeht mit jemandem. Das ist ein Stück weit eine Lehrer-Schüler-Beziehung – der eine weiß mehr als der andere über Denken, Fühlen und Verhalten und kann auch mal ein bisschen was darüber erzählen. Der andere hört zu und lernt. Es ist aber auch eine Übungsbeziehung. Die Person, die in der Psychotherapie ist und sie in Anspruch nimmt, übt in dieser Beziehung auch mal, sich anders zu verhalten, als sonst.

Das ist auch etwas, was in einer Psychotherapie stattfindet – dass man mal etwas wagt. allein dadurch schon, dass man seiner Therapeutin, seinem Therapeuten, Dinge über sich erzählt, die man vielleicht noch nie jemandem erzählt hat. So lernt man, ohne allzu sehr darüber nachzudenken, sich anderen Menschen gegenüber mehr zu öffnen und sich authentischer zu zeigen. Damit übt man letztendlich ein neues Verhalten und eine neue Beziehungsgestaltung ein.

Keine reine Einbahnstraße


Die therapeutische Beziehung gehen beide Seiten ein – auch derjenige, der die Psychotherapie anbietet, lässt sich darauf ein. Deshalb kann man eine Psychotherapie tatsächlich nur dann mit jemandem durchziehen, wenn man diesen Menschen ein Stück weit sympathisch findet.

So ganz nicht stattfinden kann man aber auch als Therapeutin nicht. Ich als behandelnde Person sitze ja auch in dem Raum, und mein Gegenüber kann mich sehen. Er oder sie sieht, was ich anhabe, wie ich spreche und manchmal auch wie ich denke. Jede Klientin und jeder Klient macht sich ein Bild von mir. Damit gehe auch ich diese Beziehung ein.

Warum nur die Krankenkasse das Wort „Störung“ mag

Wenn man die Krankenkasse fragt, dann ist Psychotherapie die Behandlung von krankheitswertigen Störungen der Psyche. Darüber, was eine krankheitswertige Störung der Psyche ist, gibt es einen wissenschaftlichen Konsens, und der wird festgehalten in Form von Störungen, Definitionen, Krankheitsbildern. 

Im Alltag der Psychotherapie ist das Wort „Störung“ eher unbeliebt – da schwingt etwas Wertendes mit und Wertungen erzeugen Leid. Störung, das klingt so, als wären alle, die keine haben, normal, und zwar auf eine bestimmte, immer gleiche Art und Weise. Alle Nichtgestörten empfinden, denken und handeln gleich – und zwar richtig. Man ist entweder „gestört“ oder „normal“. Und das ist Quatsch.

Das Wichtigste, was man in einer psychotherapeutischen Ausbildung lernt, ist, dass es unendlich viele Arten gibt, gesund zu fühlen, zu denken und zu handeln. Und dass die eigene Art und Weise zu denken, zu fühlen und zu handeln, nicht die einzig richtige, nicht die einzig gesunde und nicht die einzig normale ist. „Normal“ ist also ein Konzept aus der idealisierten Welt.

Wer stört hier wen?

Viel entscheidender als die Frage danach, was aus wissenschaftlicher Sicht stört, sind hingegen diese Fragen:“Störst du dich selber? Stört es dich, wie du denkst, fühlst und handelst? Stört es dich, dir dabei zuzusehen, ohne daran etwas ändern zu können?“ Denn wer darauf mit „Ja“ antwortet, darf ganz einfach eine Psychotherapie machen. Menschen, die in einer Psychotherapie landen, kommen eben nicht deshalb, weil sie genau wissen „Ich habe jetzt Störung XYZ.“, sondern weil sie sagen:“Ich mag nicht mehr so sein. Ich mag nicht mehr so fühlen. Ich mag nicht mehr so handeln.“ Psychotherapie ist das, wo man mit einem Leid hingehen darf, wo es in Ordnung ist, dass es einem gerade nicht gut geht damit, wie man ist und wo man selbst sagt: „Ich will mich verändern.“

Es kommen natürlich auch manchmal Leute in die psychotherapeutische Praxis, denen jemand gesagt hat:“Du musst dich verändern. Ich will, dass du dich veränderst, sonst endet unsere Beziehung, sonst endet unsere Freundschaft, sonst bist du nicht mehr meine Tochter oder sonst darfst du nicht mehr für mich arbeiten.“ Das ist aber eine denkbar schlechte Motivation für eine Psychotherapie und funktioniert in den allermeisten Fällen auch nicht. Nur weil sich jemand an einem stört, muss man noch lange keine Psychotherapie machen!

Wer legt das Ziel fest und wer findet den Weg?

Was alle Psychotherapien gemein haben ist, dass sie freiwillig, transparent und bewusst ablaufen. Derjenige, der die Psychotherapie in Anspruch nimmt, bestimmt, dass er es tut. Und er oder sie bestimmt auch, worum es geht in der Psychotherapie. Das kann ein kleiner Aspekt des Lebens sein, eine berufliche Veränderung zum Beispiel, oder aber das große Ganze. Die Sinnsuche, die Angst vor dem Tod oder, was viel häufiger vorkommt, die Angst davor, das Leben voll und ganz zu leben.

Die Therapeutin oder der Therapeut arbeitet nicht mit manipulativen Mitteln und verfolgt keine Ziele, die nicht abgesprochen wurden. Das bedeutet im Gegenzug auch, dass der Klient oder die Klientin eigene Ziele formulieren muss. Manchmal allerdings ist genau das der Knackpunkt – das Fehlen von eigenen Zielen. Oft endet die Therapie genau dadurch, dass die Klienten es endlich wagen, ihre eigenen Lebensziele zu formulieren und sich ihrer Fähigkeit bewusst werden, diese von nun an ganz alleine zu verfolgen.

Ich hoffe, du hast jetzt ein etwas klareres Bild davon bekommen, was eine Psychotherapie tatsächlich ist. Wenn Du Anmerkungen oder Fragen dazu hast, freue ich mich über eine E-Mail an info@psychotherapie-hodemacher-hannover.de. Dieser Artikel basiert auf einer Folge meines Podcasts „Einmal freimachen, bitte!“, die Du auch hören kannst: